Theoretische Frage zur Kontaktkorrosion

  • Hallo zusammen,


    nur mal rein hypothetisch: Wenn man ein Auto hätte, dessen Karosserie in einwandfreiem rostfreien Zustand wäre, und bei der kein Punkt des Bleches kontakt mit Luft/Regen/Salz hätte UND wenn man an dieses Auto eine völlig verrostete minderwertige und ungeschützte Achse anbauen würde UND, wenn diese Achse elektrischen Kontakt zur Karosserie hätte UND man richtig schön durch Wasser und Salzlake fahren würde: Würde das die Karosserie durch Kontaktkorrosion ebenfalls rosten lassen? Falls ja, wäre der Rost dann nur im Bereich des elektrischen Kontaktes, oder könnte es auch an völlig anderen Stellen, also z.B. auf der anderen Karosserieseite zu Korrosion führen?


    Danke und VG
    Karl

  • Moin Karl!
    Unter "Kontaktkorrosion" versteht man i.A. eher Korrosion/Oxidation durch den elektrischen Kontakt von einem edleren zu einem unedleren Metall, frag mal Landroverfahrer: hier ist Stahl und Alu im direkten Kontakt verbaut.
    Es fließt ein geringer Strom (Luftfeuchtigkeit reicht schon für die chem. Reaktion), die Metalle wirken als Anode und Kathode.
    Zerfall des unedleren Metalls ist die Folge.


    Bei Deinem theoretischen Versuch trifft Stahl auf Stahl. durch den elektrischen Kontakt wird da nichts passieren.
    Wenn jedoch Rost auf ungeschützen Stahl trifft, so wirkt der Rost "ansteckend", da durch den Rostungsvorgang nicht nur einfach Fe2O3 (und diverse andere Eisenoxide) entsteht, sondern durch die Lösung der Oxide in Wasser und in Salzen weitere hochkorrosive Substanzen (habe ich jetzt nicht schön ausgedrückt, dass ich nicht mehr weiss, ob es Säuren oder Basen sind).
    Daher gibts ja dann auch Fett zum Roststop, um Wasser und Salze von der Korrosionsstelle fern zu halten.

  • Stimmt. Ich habe da zwei Sachen in einen Topf geworfen. Aber du hast meine Frage, so wie ich sie eigentlich gemeint hatte, ja trotzdem richtig erahnt und beantwortet und mir gleich die richtigen Stichworte geliefert. Habe gerade gegoogelt nach 'Rost' und 'ansteckend'. Es scheint wohl so zu sein, dass Rost tatsächlich ansteckend ist.


    Man sagt ja bei verzinkten Karosserien, dass sie perfekt repariert werden müssen, weil sie einem sonst 'unter dem Arsch wegrosten' würden. Das habe ich so verstanden, dass die schlecht reparierten Stellen Kontakt mit Wasser, Luft und Salzen hätten und dass das Auto dadurch überall, also auch an völlig anderen unter Umständen weit entfernten Stellen anfangen würde zu rosten. Hier spielen allerdings tatsächlich die zwei oben von mir in einen Topf geworfenen Effekte eine Rolle. Einerseits hat man hier zwei verschieden edle Metalle (Zink und Eisen/Stahl) beteiligt, wobei das aber nur solange der Fall ist, bis der komplette Zink an der beschädigten Stelle beteiligt ist. Sobald diese Zink weg ist, rostet der Stahl an der beschädigten Stelle. Dann könnte ich mir vorstellen, dass der Rost ganz langsam den Lack des benachbarten Bleches unterwandert. Also hätte man hier so etwas wie den Ansteckungseffekt. Warum nun das Auto auch an anderen weit entfernten Stellen rostet, ist mir allerdings ein Rätsel.


    An meinem Polo hatte ich mäßigen Rost an der Karosserie und starken Rost an Achsen, Bremstrommeln, Achsschenkeln usw.
    Weil ich Angst hatte, dass der Rost sich von den letzteren stark verrosteten Stellen über die elektrischen Verbindungen auf die Karosserie übertragen könnte, habe ich den ganzen Kram abgebaut, gesandstrahlt und lackiert und/oder Mike-Sanders drauf und reingespritzt. (Bremstrommeln und Scheiben natürlich nicht) Das ist optisch natürlich eine echte Bereicherung, aber ich frage micht trotzdem ob die Arbeit nötig war.


    Ich würde gerne zwei Dinge richtig verstehen:
    1. Wie funktioniert das mit dem ansteckenden Rost bei gleich edlen Blechen, von denen eins verrostet ist?
    2. Wie weit kann Kontaktkorrosion 'strahlen' wenn zwei unedle Metalle kontakt miteinander haben?

  • Sorry für die weitere Verwirrung, trotzdem zuerst meine Frage an an Stobi (damit ich nicht blöd sterbe..):


    Welche Eisenoxide, die sich in Wasser lösen meinst Du?


    Eisen(II,III)-oxid (Magnetit) ist laut meines Wissens und Wikipedia "unlöslich in Wasser, Säuren und Laugen".
    Eisen(III)-oxid (Eisenoxidrot) ist als Pigment in vielen "älteren" Rostschutzfarben enthalten (daher die dunkel-rote - braune Farbe) und ist laut Wapedia auch nicht löslich in Wasser (siehe auch Arnold F. Holleman, Nils Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie....)
    Eisen(II)-oxid (Eisenoxydul) ist laut Wapedia auch unlöslich in Wasser (siehe auch Arnold F. Holleman, Nils Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie....).
    Eisenhydroxide (Eisen(III)-oxidhydrate) entstehen laut Wikipedia "wenn Eisen an feuchter ...schwefeldioxidhaltiger Luft = Abgase anfängt zu rosten. Ist aber auch nicht in Wasser löslich. Ist zwar löslich in Säuren. wenn aber Säure auf blankes Eisen einwirkt, rostet´s sowieso.


    Meine (nicht exakt wissenschaftlich belegten) Meinungen zu den Fragen von Dir:
    1. Denke, der schon vorhandene, aber noch nicht "zur vollen Oxidationsstufe" gebildete Rost (= orange, rot, rehbraun) wirkt als Katalysator für das blanke Blech. Da er noch mehr Elektronen bis zur vollständigen Umwandlung benötigt, "zieht" er diese vom unkorrodierten Eisen ab und beschleunigt auf KLEINEM RAUM - NICHT ÜBER "GROSSE DISTANZEN" das Rosten des blanken Bleches.
    Rosten kann das benachbarte Blech also nur in unmittelbarer Umgebung und - wenn nicht sandgestrahlt -bei einer Luftfeuchtigkeit größer 50%.
    Ist das Blech aber sandgestrahlt, tritt bei den sehr kleinen "Löchern" durch das Sandstrahlen der Effekt der "Kapillarwirkung" auf (= bei sehr kleinen Hohlräumen "saugt" der Hohlraum die umgebende Flüssigkeit auf,, bzw. die "umgebende" Luftfeuchtigkeit gibt Ihr Wasser an den Hohlraum ab, wodurch die Feuchtigkeit dort über 50% steigt und das Eisen rostet).


    Ahemm: Ziemlich verquast, die Theorie isn´t it...
    In der Praxis heisst dass, WIRKLICH so schnell wie möglich nach dem Sandstrahlen ne´Grudndierung drüber - sontst rostets speziell im Sommer schneller als einem lieb ist.

    2. Kontaktkorrosion kann eigentlich bei "Raumtemperaturen" (= keine Hochtemperaturkorrosion, z.B. am Auspuff) nur soweit 'strahlen', wie eine leitfähige Flüssigkeit zwischen den verschiedenen Metallen existiert.
    Das hängt aber demzufolge von der "Praxis" ab.
    Wichtig ist IN DER PRAXIS, das bei verschiedenen Metallen der DIREKTE metallische Kontakt unterbunden wird.
    Bei Alu-Karrosserien auf einem Metall-"Gestell" oder Kupfer (Leitungen, Batterie-Bänder, etc.) auf der Karosserie ist das wichtig.
    Meines Erachtens bei deinem Polo NICHT.


    Zur wirklich aussagekräftigen Beurteilung des Rostens Deines Polos an den "anderen" Stellen müssten diese genauer betrachtet werden, denke aber, das hat möglicherweise andere Ursachen (sandgestrahlte Bleche die nicht sofort grundiert wurden, unzureichende Rostbeseitigung der verrosteten NICHT gestrahlten Bleche, alte Lackierungen auf vorhandenem Restrost durch die der Rost wieder durchdrückt, etc.)

  • Danke Phosphorsäurejunkie für deine ausführliche Antwort. Vor allem, dass du die die wichtigsten Eisenoxide (alle?) zusammen getragen und deren Eigenschaften benannt hast.
    Deine Theorie vom 'nicht zur vollen Oxidationsstufe gebildeten Rost' Rost klingt einleuchtend. Ob die Theorie stimmt, müsste man mal professionelle Chemiker fragen.
    Auch deine Kapilar-Theorie ist sehr einleuchtend. Als ich das erste Mal ein Stück völlig verrostetes Eisen gesandstrahlt habe, habe ich mich zunächst gewundert, wie schön das klappt und wie nagelneu die Sachen nachher ausgesehen haben. Habe dann meine ersten Versuchsobjekte in der Scheune, in der Nähe des Scheunentores liegen lassen und natürlich hat es in der folgenden Nacht geregnet. Obwohl die Blechteile keinen Regen direkt abbekommen hatten, war bereits am nächsten Tag deutlicher Flugrost darauf. Es rostete also um 10er Potenzen schneller als vorher. Ich habe mir das mit der rauhen und damit größeren Oberfläche erklärt und damit, dass Stahlbleche vielleicht ab Werk eine passivierende Schicht haben, während mein Material vollkommen nackt war. Habe mir auch überlegt, ob mikroskopisch kleine Teile des Strahlgutes, die im zu strahlenden Objekt stecken geblieben sind, eine korrosionsfördernde Wirkung haben könnten. Aber deine Kapilareffekt-Theorie gefällt mir fast besser.


    Wie erklärst du dir die Problematik, dass verunfallte und schlecht reparierte verzinkte Karosserien so extrem schnell und scheinbar auch überall gleichzeitig rosten?

  • Hallo Karl,


    ahemm, kann ich mir nach allerübelstem Nachgrübeln nicht wirklich erklären.


    Ne´schlechte Ausführung der Reparatur der verzinkten Karosserien würde bedeuten, das an den Kontaktstellen "originale - verzinkte Karosserie"- und "reparierte - nicht verzinkte Bleche" aufeinandertreffen.


    Kontaktkorrosion in Verbindung mit dem Phänomen der SAUERSTOFF-EINFANG-FLÄCHE kann es nicht sein, denn dazu müsste daß "größere" Metallteil (= alte verzinkte Karosserie) "edler" sein (= würde elektrochemisch auf einer höheren Spannungsreihe liegen == das angeschweißte Material würde schneller rosten als die alte Karosse).
    Da aber die alte verzinkte Karosse elektrochemisch "unedler" ist = korrodierrt schneller als das angeschweißte Blech) würde die "alte" Karosse schneller korrodieren.


    Tippe deswegen eher auf unprofessionelle Oberflächenbehandlung der neu eingeschweißten Bleche:
    Das Zink verdampft an der Schweißstelle und hinterlässt einen "undefinierten" Schweißrand ohne Zink an beiden Blechen. Diese (geschätzt ca 1- 2 cm große ??) Schweißzone (- bitte professionellen Kommentar zur wirklichen Ausdehnung!!!) hat keinen Korrosionsschutz und zudem - einen , wenn sie nicht mechanisch entfernt wird, sicherlich auch die anschließende Beschichtung massiv negativ haftungs-beeinflussenden Effekt, da die entstehenden Oxide nicht komplett kompakt mit dem geschweißten Blech verbunden sind.


    Auf Deutsch, MEINER "STUDI-Meinung" nach brauchen eingeschweißte verzinkte Bleche auf verzinkten Karosserien eine (eigentlich logische) "professionelle" Nachbearbeitung).
    Aber da hakt eventuell die ganze Sache möglicherweise, denn jeder "Reparateur" hat ja per Se die einzig seligmachende Antwort...


    Da ich bis jetzt nur mit nicht verzinktem ROST = KÄFER zu tun hatte, kann ich bis auf mein "Studi-Wissen" leider keine ERFAHRUNGSWERTE beisteuern.


    Mich würde ein professioneller Karosseriebau-Kommentar ebenfalls interessieren.

    Mein PERSÖNLICHER Rat würde lauten:
    Eingeschweißte verzinkte Bleche und alte verzinkte Bleche von "vorne" anschleifen und ideal mir säurehaltigem Primer grundieren, in der Praxis aber eher realisierbar: mit Epoxi-Grundierung beschichten (A und O ist di9e "perfekt" saubere Oberfläche...).


    Von "Hinten" Korrosionsschutz mit Fetten, Ölen oder Wachsen - siehe unzählige Threads....


    Zur passivierenden Schicht von "originalen" Blechen.


    Ich PERSÖNLICH denke, das die meisten GEFERTIGTEN Einschweißbleche ab Produktionswerk eine fürs Erste schützende Grundierung haben - in wie weit diese langfristig wirkt habe ich keinerlei Praxiserfahrung (ich persöhnlich schleife diese komplett beidseitig ab..) .


    Selbst ohne Lack-Beschichtung hergestellte Bleche können eine (geringe) Schutzschicht aufweisen:
    Entweder eine (sehr minimale) Oxid-Schicht durch den Produktionsprozess - oder eine sehr dünne Phospatschicht- oder eine wie auch immer geartete "Lackierung".


    Da müssen andere Dir Rede udn Antwort stehen ...

  • So, um keinen "Dünnschiss" zu reden, habe ich in einem Chemikerforum nachgefragt, hier die bisher einzige etwas "populärwissenschaftliche" Antwort (sowie meine genaue Frage)
    ...
    Hallo,
    beim "chemisch reinen" Rosten entstehen ja nur die bekannten 2 oder 3 Eisenoxide.
    Wie sieht das aber nun mit dem "realen" Rosten aus, wo Wasser, Streusalz und diverse andere "Umwelteinflüsse" dazu kommen?
    Was für Stoffe entstehen da sonst noch?
    Ich frage so seltsam, um den Grund für "ansteckenden Rost" zu finden: legt man ein rostiges und eine blankes Stück Stahl aufeinander, so fängt unter Feuchtigkeit auch das blanke sofort an zu rosten, schneller als es durch die Feuchtigkeit allein täte.


    =====>
    AW: Verbindungen, die beim Rosten entstehen
    Das, was da entsteht, ist ein Gemisch aus FeOOH in seinen vielen verschiedenen Modifikationen (Goethit, Limonit, ...), Fe-Oxiden, basischen Carbonaten und allem, was man sich so noch denken kann. Chlorid scheint nicht wirklich in den Verbindungen, die man in ihrer Gesamtheit als "Rost" bezeichnet, drin zu sein, fördert aber den Prozess des Rostens ähnlich wie ein Katalysator. Ähnliches gilt für Rostkrümel. Das hat Gründe in Oberflächenprozessen (kinetische Gründe) und auch Dingen wie Lokalelementen (thermodynamische Gründe).

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